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Trochleaplastik bei Trochleadysplasie

Eine der häufigsten Ursachen der patellofemoralen Dysfunktion ist eine (habituelle) Patellaluxation oder –subluxation.
Im Folgenden soll auf die Bedeutung und die Behandlung der Trochleadysplasie in diesem Zusammenhang eingegangen werden.

Faktoren der patellofemoralen Stabilität

Während des gesamten Bewegungszyklus spielt die komplexe Interaktion verschiedener Einflussfaktoren eine wesentliche Rolle für die Stabilität des Patellofemoralgelenks.

Es werden drei Hauptfaktoren unterschieden:

    1. Statische Faktoren (knöcherne Morphologie): Hierzu wird die Trochlea, die Patella und deren Kongruenz gezählt. Bei der Beurteilung der Kongruenz ist vor allem die Morphologie der Trochlea von entscheidender Bedeutung. Sie bildet die Führungsrinne, in welche die Patella eintaucht und gleitet. Ein weiterer Faktor bei der Betrachtung der knöchernen Strukturen ist die Orientierung zwischen Femur und Tibia zu einander. Sowohl eine Rotationsfehlstellung als auch eine  Valgusfehlstellung vergrößert den Q-Winkel und führt zu einem verstärkten Kraftvektor der Quadrizepsmuskulatur nach lateral und damit zu einer erhöhten Luxationstendenz der Patella.
    2. Passive Faktoren (passive Stabilisatoren): Hier ist vor allem das mediale patellofemorale Ligament (MPFL), aber auch der gesamte patellofemorale Bandapparat und die Retinacula zu nennen. Das MPFL ist ein passiver medialer Stabilisator, der dem lateralen Kraftvektor entgegenwirkt und eine Luxation der Patella verhindert. Besonders in strecknaher Beugestellung, bevor die Patella in die Trochlearinne eintaucht und eine knöcherne Führung erfährt, ist das MPFL von besonderer Bedeutung.
    3. Aktive Faktoren (aktive Stabilisatoren): Hier ist der M. quadriceps femoris, insbesondere der Pars obliquus des M. vastus medialis hervorzuheben. Zwischen 60° und 90° Beugung ist der Richtungsvektor der Quadrizepsmuskulatur nach posterior gerichtet, wodurch die Patella in die Trochlearinne gezogen wird und einer patellofemoralen Instabilität entgegenwirkt.

Von den genannten Faktoren hat die knöcherne Formgebung der Trochlea den größten Einfluss auf die patellofemorale Stabilität. Bei einer Trochleadysplasie entsteht eine „function follows form“-Situation die zu einer Instabilität und in den meisten Fällen zu einer Luxation führt.

Trochleadys1
normale Trochleaform
dyplastische Trochlea mit luxierter Patella

Pathoanatomie der Trochleadysplasie

Wichtig ist die Differenzierung zwischen einer dysplastischen Trochlea und einer isolierten Dysplasie oder Abflachung der lateralen Femurkondyle. Eine dysplastische Trochlea definiert eine hypoplastische mediale Femurkondyle in Verbindung mit einer hyperplastischen lateralen Trochleafacette. – die daraus resultierende Silhouette ähnelt der einer brechenden Welle. Die Trochlea ist nach medial versetzt, und ist flach oder sogar konvex. Radiologisch lässt sich die Medialverschiebung der Trochlea über einen erhöhten Tibial-Tubercle/Trochlea-Grove Abstand, einen erhöhten patellaren Shift und eine Patella alta quantifizieren. Die Konsequenz ist ein erhöhter Q-Winkel und eine erhöhte Anfälligkeit für Luxationsereignisse. Diese pathoanatomische Darstellung ist von entscheidender Bedeutung, da nahezu alle nicht-traumatischen patellofemoralen Instabilitäten auf eine Trochleadysplasie zurückzuführen sind.

Pathomechanismus der Patella(-sub)luxation bei Trochleadysplasie

90% aller habituellen Patellaluxationen sind ursächlich auf eine Trochleadysplasie zurückzuführen. Die meisten Patellaluxationen entstehen zwischen 0° und 40° aktiver Streckung. Während diesen Freiheitsgraden ist die fehlende Trochlearinne gleichbedeutend einer fehlenden lateralen Barriere; es fehlt die laterale Facette der Trochlea, die dem nach lateral gerichtetem Kraftvektor des M. quadrizeps femoris entgegenwirkt – es kommt zu einer Subluxation oder Luxation der Patella. Je weiter die Dysplasie nach distal reicht, umso größer ist die daraus resultierende Instabilität im Patellofemoralgelenk. Der bei höhergradiger Beugung bestehende, nach posterior gerichtete Kraftvektor verliert dann seine stablisierende Wirkung, und führt lediglich zu einer Erhöhung des patellofemoralen Anpressdrucks und der entsprechenden klinischen Symptomatik. Besteht eine schwere Ausprägung der Trochleadysplasie mit zusätzlichem „Bump“, so ist das Eingleiten der Patella in strecknaher Stellung besonders erschwert. Hierbei fehlt nicht nur die Gleitrinne, sondern die Patella muss eine zusätzliche Erhöhung überwinden. Da es sich bei der Trochleadysplasie um eine angeborene Pathologie handelt, erfährt die Patella von Kindheit an ein Fehlgleiten, welches eine chronische Proximalisierung und Lateralisierung der Patella mit erhöhtem Luxationsrisiko mit sich bringt.

Die Ursache der patellofemoralen Instabilität ist multifaktoriell, jedoch mit einer starken genetischen Komponente vergesellschaftet. Bei der Trochleadysplasie handelt es sich um eine vererbbare anatomische Deformität, wodurch sich die familiäre Häufung habitueller Patellaluxationen erklären lässt. Sie wird nach Dejour in vier Typen mit steigendem Risiko für eine Patellaluxation unterteilt.

In einer radiologischen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass die Patellaform nicht durch eine bestehende Trochleadysplasie beeinflusst wird. Hierdurch erklärt sich der durch die fehlende Kongruenz zwischen Trochlea und Patella verursachte patellare Tilt. Die konvexe Patella liegt der Konvexität der Trochlea auf, als würde man versuchen ein Ei auf einem anderen Ei zu balancieren. Der erhöhte punktuelle Spitzendruck führt neben einer Instabilität zu einer frühzeitigen Knorpelschädigung.

OP-Indikation für eine Trochleaplastik

Nicht jede Trochleadysplasie bedarf einer operativen Versorgung mittels Trochleaplastik. Diese sollte jedoch wenn notwendig als primäre Intervention in Betracht gezogen werden. Die Indikation wird aufgrund der Beurteilung des klinischen und kernspintomographischen Befundes gestellt. Generell gilt klinisch ein positiver Apprehension-Test sowie ein positives J-sign von mehr als 30° als Indikator für eine bestehende patellofemorale Instabilität. Bei zusätzlich kernspintomographisch nachgewiesenem trochleärem „Bump“ und einer konvexen Trochleamorphologie wird die Indikation zur Trochleaplastik gestellt. Arthrotische Veränderungen und fortgeschrittene Knorpelschäden patellofemoral stellen Kontraindikationen für diese operative Versorgung dar.

Ziel der Trochleaplastik

Das Ziel der Trochleaplastik besteht in der Lateralisierung und Vertiefung der Trochlearinne, um einerseits den Q-Winkel zu minimieren und andererseits eine laterale Trochleafacette als statische Barriere gegen den nach lateral gerichteten Kraftvektor zu schaffen. Die alleinige Erhöhung der lateralen Trochleafacette würde lediglich zur Erhöhung des patellofemoralen Anpressdruckes führen. Der nach lateral gerichtete Kraftvektor kann dadurch nicht minimiert werden.

Operatives Vorgehen

Das Knie wird in 45° Beugung gelagert und das laterale Retinakulum über einen lateralen parapatellaren Zugang dargestellt. Im ersten Schritt wird eine laterale Erweiterungsplastik (26) vorbereitet indem die zwei Schichten des lateralen Retinakulum in Längsrichtung scharf voneinander getrennt werden. Dies ermöglicht, die lateralen Strukturen am Ende der Trochleaplastik elongiert zu verschließen. Anschließend wird die laterale Gelenkskapsel eröffnet und die Patella nach medial retrahiert um die Trochlea vollständig und übersichtlich darzustellen. Entsprechend der proximodistalen Ausprägung der Trochleadysplasie wird bestimmt, wie weit nach distal der Knorpel zur Modellierung des subchondralen Knochens abgehoben werden muss. Mit einem Skalpell wird das Periost lateral eingeschnitten, von der Synovialis separiert und mittels Elevatorium abgehoben. Der proximale Knorpel wird mit Hilfe eines geraden Meißels, der proximolaterale Teil mit einem kurvierten Meißel abgehoben. Hierbei verbleiben 1 bis 3 mm des subchondralen Knochens am Knorpel. Im nächsten Schritt wird der Knorpel vorsichtig und am Stück von proximal nach distal am lateralen Femurkondylus abgemeißelt bis die proximalen 5mm des Knorpels mobil sind. Dies kann entweder mit Hilfe eines Meissels oder auch mit einer Fräse geschehen. Im Anschluss wird der an der Knopellamelle bestehende subchondrale Knochen so weit ausgedünnt, dass sich der Knorpel modulieren lässt. Dadurch bleibt genügend subchondraler Knochen für eine gesicherte Einheilung bestehen, während die abgehobene Knorpellamelle gleichzeitig flexibel gemacht wird.

Nun erfolgt die Formung der neuen Trochlearinne: Mit einem geraden Meißel wird der proximale Anteil leicht lateralisiert angelegt. Soweit vorhanden, wird der trochleäre Bump abgetragen und die Trochlearinne unter Niveau der distalen Femurdiaphyse gebracht. Nun wird die Formung der knöchernen Trochlearinne mit Hilfe des Luers, des scharfen Löffels und / oder einer Fräse durchgeführt. Mögliche Knochenreste werden mit dem spitzen Lüer entfernt.

Die osteochondrale Lamelle wird im Anschluss mittels stumpfem Rasparatorium oder einem gerundeten Impaktor ins physiologische Knochenlager eingearbeitet. Sobald der Knorpel gut an den Knochen anmodeliert ist, erfolgt die Fixierung. Dann wird der Rand der Knorpellamelle mit Fibrinkleber versiegelt, um postoperative Blutungen aus dem Knochen zu vermeiden. Nach Einlage einer intraartikulären Redondrainage wird das laterale Retinakulum in 70° Beugung verschlossen. Sollte eine laterale Erweiterungsplastik notwendig sein, so kann die anfänglich vorbereitete laterale Erweiterungsplastik entsprechend verschlossen werden.

Die Rolle des MPFL

Wie bereits erwähnt hat das MPFL besonders in strecknaher Beugestellung eine wichtige Funktion für die patellofemorale Stabilität, da die Patella in dieser Stellung noch nicht in die stabilisierende Trochlearinne eingetaucht ist.  Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass in über 90% aller patellarer Luxationsereignisse das MPFL entweder rupturiert oder zumindest insuffizient ist. Aus diesem Grund wird dazu geraten bei der Durchführung einer Trochleaplastik die Indikation für eine zusätzlich notwendigen MPFL-Rekonstruktion genauestens zu prüfen um die patellofemorale Stabilität für das gesamte Bewegungsausmaß des Kniegelenks zu gewährleistet.

Postoperatives Management

Postoperativ sollte der Patient für die verbleibende Dauer des stationären Aufenthaltes täglich 4x je 20 Minuten ohne Limitierung des Freiheitsgrades auf einer CPM-Schiene beübt werden. Die stationäre Entlassung sollte nicht vor erreichen einer Beugefähigkeit von mindestens 60° erfolgen, um das Auftreten von postoperativen Vernarbungen zu vermeiden. In den ersten 2 Wochen postoperativ ist auf die Teilbelastung von 20kg zu achten. Im Anschluss kann die schmerzadaptierte Steigerung der Belastung bis zur Vollbelastung erfolgen. Erst nach insgesamt 6 Wochen ist die stufenweise Rückkehr zu Alltagsaktivitäten sinnvoll.

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